Name: Nils Rathjen, Januar 2023

 

Myasthenia gravis 

Myasthenia gravis ist eine chronische Autoimmunerkrankung, bei der Antikörper gegen körpereigene Strukturen gebildet werden. Diese Autoantikörper richten sich gegen die postsynaptischen Acetylcholin-Rezeptoren (ACh-R) der motorischen Endplatte.

Es kommt zu einer verminderten Anzahl funktionsfähiger Acetylcholin-Rezeptoren der neuromuskulären Endplatte. Dies führt zu einer belastungsabhängigen Muskelschwäche. Nerv und Muskel sind dabei intakt.

 
Erkrankungen der Thymusdrüse (Entzündung oder Tumor) beeinflussen die Entstehung der Krankheit. In der Thymusdrüse werden die Antikörper gebildet. Diese sitzt hinter dem Brustbein und ist wichtig für das Immunsystem. Die Myasthenia gravis wird mit Acetylcholinesterasehemmern oder Immunsuppressiva behandelt. Dennoch ist die Erkrankung nicht heilbar.

Eine myasthenische Krise ist eine lebensbedrohliche Komplikation mit schwerer allgemeiner Muskelschwäche, Schluckstörungen und Ateminsuffizienz. Sie muss intensivmedizinisch behandelt werden.

Grafik

 

Epidemiologie/ Verlauf

Die Inzidenz liegt zwischen 0,25 und 2,0 pro 100.000 Einwohner. Hierbei beträgt das Verhältnis von Frauen zu Männern 3:2. Die Erkrankung manifestiert sich am häufigsten zwischen dem 20. und dem 40. Lebensjahr und zwischen dem 60. und dem 70. Lebensjahr.

Dabei sind 10 % Kinder unter 16 Jahren. Bei 10-15 % aller Patienten liegt ein Thymusdrüsentumor vor. 85 % der Patienten erreichen eine gute Lebensqualität mit medikamentöser Einstellung ohne Beeinträchtigung der Lebenserwartung.

Risikofaktoren für ungünstige Verläufe sind früher Krankheitsbeginn. Auch Frauen sind stärker betroffen.

 

Symptome  

Bei der Myasthenie kommt es zu einer belastungsabhängigen Muskelschwäche mit Erholung in Ruhe. Die Erkrankung beginnt häufig mit Doppelbildern und ein - oder beidseitiger Lidheberschwäche (Ptosis), eine okuläre Myasthenie.

Myasthenia gravis kann aber auch mit einer Schwäche der Extremitäten beginnen. Die Symptome nehmen im Laufe des Tages oder bei vermehrter Belastung zu und bessern sich in Ruhe. Kennzeichnend ist eine vorzeitige Erschöpfbarkeit der Kraft und erst im Verlauf eine andauernde Muskelschwäche.

Typische Auslöser für Verschlechterungen sind Infekte, Schlafmangel, Operationen, seelische Belastungen und hormonelle Umstellungen.
Bestimmte Medikamente können Myasthenie-Symptome verstärken: 

  • bestimmte Antibiotika (zum Beispiel: Meropenem, Gentamycin) 
  • Chinin (im Tonic water zu finden) 
  • Muskelrelaxantien (Substanzen, die eine Entspannung der Skelettmuskulatur bewirken)
  • Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine
  • Magnesiumpräparate 

Risiken

Eine gefährliche Komplikation der Erkrankung ist die myastenische Krise (schwere generalisierte Muskelschwäche) mit einer extrem reduzierten Acetylcholinrezeptorenanzahl. Sie kann eventuell zu einer Ateminsuffizienz mit notwendiger Beatmung führen. Diese Komplikation ist unter Umständen lebensbedrohlich.

Im Gegensatz dazu führt eine Überdosierung der Medikamente zu einem Überangebot an Acetylcholin und kann so eine cholinerge Krise auslösen. Symptome der Krise sind enge Pupillen (Miosis), vermehrter Tränenfluss, Herzrasen, Durchfall und Schwitzen. 

 

Klinische Klassifikation

Gradeinteilung nach der MGFA (Myasthenia Gravis foundation of america 

Grad 1

Okuläre Form: Lidheberschwäche (Ptosis), Doppelbilder 

Häufig beginnt Myasthenie mit diesen Symptomen 

Grad 2

Leichte generalisierte Myasthenie (oft inklusive Beteiligung der Augenmuskeln)

Proximale (körpernahe) Schwäche der Extremitäten zum Beispiel: Schwierigkeiten beim Treppensteigen

Grad 3-4

Mäßiggradige bis schwere generalisierte Myasthenie mit Lähmungen (Paresen)

Grad 5

Schwäche der Atemmuskulatur (Ateminsuffizienz) mit notwendiger Beatmung

Im Stadion 2-5 können Schluck-, Kau- und Sprachstörungen hinzukommen. Bei 80-90% der Patienten geht die Erkrankung innerhalb von 2 Jahren in eine generalisierte Form über.

 

Diagnostik 

Im Labor können bei 90% der Patienten Acetylcholinrezeptor- Antikörper im Blutserum des Patienten nachgewiesen werden. In seltenen Fällen (8%) sind andere muskelspezifische Rezeptor-Antikörper nachweisbar.

Mit einem CT vom Brustkorb wird eventuell ein Thymusdrüsentumor festgestellt.
Elektrophysiologische Untersuchungen mit Reizung der Nerven und Ableitung der Reizantworten der entsprechenden Muskeln sind auffällig.

Pharmakologische (medikamentöse) Tests fallen positiv aus: 


-> Tensilon-Test: dem Patienten wird Tensilon (Acetylcholinesterasehemmer) intravenös verabreicht. Kurzfristig erhöht sich die Konzentration von Acetylcholin an der motorischen Endplatte. Die Muskelschwäche nimmt ab. Der Patient kann kurzfristig bestimmte Bewegungen besser durchführen.


-> Pyridostigmintest: der Patient erhält das Medikament Pyridostigmnin (auch ein Acetylcholinesterasehemmer) als Tablette. Der Wirkstoff bewirkt eine Anreicherung von Acetylcholin im synaptischen Spalt. Wenn es nach 60 Minuten zu einer Verbesserung der Muskelschwäche kommt, ist der Test positiv.  

 

Differentialdiagnose 

  • Lampert-Eaton-Syndrom (Muskelschwäche durch Antikörper, die präsynaptisch wirken; Symptome vorwiegend an den Extremitäten; tritt vor allem bei Lungenkrebs auf) 
  • Botulismus (Lebensmittelvergiftung durch Botolinumtoxin in Wurst oder Fleisch)
  • Muskelentzündung  
  • Muskeldystrophie (Muskelschwund)
  • Multiple Sklerose 
  • Intrazerebrale Tumore (Kopftumore) 
     etc. 

Therapie

Bei der Myasthenia gravis ist keine vollständige Heilung möglich, es können nur die Symptome behandelt werden.

Grundpfeiler ist die operative Entfernung der Thymusdrüse und damit die Ausschaltung der Antikörperbildung.

Durch bestimmte Medikamente, den sogenannten Acetylcholinesterasehemmern, kommt es zur Steigerung der  Acetylcholinkonzentration im synaptischen Spalt.

Das Medikament Pyridostigmin wird als Tablette eingenommen und hemmt den Abbau von Acetylcholin. Dadurch verbessert sich die neuromuskuläre Übertragung und die Muskelschwäche wird gelindert.

Mit Immunsuppressiva (Kortison) wird die Antikörperbildung gehemmt. Unterstützende Maßnahmen wie Physiotherapie, Logopädie und Rehabilitation sind sinnvoll. 

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