Name: Marie Krannich, 2023-01
Allgemeines zu Quallen und Quallengiften
Heutzutage sind etwa 2500 verschiedene Quallenarten bekannt. Es wird unter zwei großen Gruppen von Quallen unterschieden: den meist harmlosen Scheiben/- oder Schirmquallen und den meist giftigen, gefährlichen Würfelquallen. Als Ausnahmefall gilt die Rippenqualle.
Grafiken:
harmlose Schirmqualle (M1)
https://https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Chrysaora_jelly.jpg
giftige Würfelqualle (M2)
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/3/3a/Avispa_marina.jpg/220px-Avispa_marina.jpg
Quallen sind in allen Meeren der Welt zu finden, jedoch nimmt die Artenvielfalt mit der Kälte des Lebensraums ab. Ihre Körpergröße variiert von wenigen Millimetern bis hin zu einigen Metern. Die Hauptnahrung der meisten Quallenarten ist Zooplankton. Zu ihren Feinden sind Fische, Delfine und Schildkröten zu zählen. Quallen überstanden bereits 670 Millionen Jahre der Evolution. Sie werden gelegentlich auch als Plankton bezeichnet, da sie trotz Schwimmbewegung vor allem durch die Strömung vorangetrieben werden.
Aus biologischer Sicht gehören Quallen dem Stamm der Cnidaria, also der Nesseltiere, an, zu dem auch Polypen, Blumentiere und Seeanemonen zugeordnet werden. An ihren Fangarmen, den Tentakeln, befinden sich Nesselkapseln, die bei Berührung ein Gift mit hohem Druck freisetzen können, um Beute zu erlegen und sich vor Fressfeinden zu schützen. Diese Tentakeln können je nach Art wenige Millimeter bis zu 20 Metern lang werden.
Die Fortbewegung findet ähnlich dem Tintenfisch durch rhythmisches Zurückstoßen statt. Meerwasser fließt durch den radiären Ringkanal (vgl.M4) ein und wird wieder ausgestoßen, was zur Fortbewegung führt. So kann eine Geschwindigkeit zwischen 5 und 8 km/h erreicht werden.
Aufbau der Meduse
Aufbau der Meduse
Quallen bestehen zu fast 99% aus Wasser, haben demnach auch eine ähnliche Dichte und besitzen weder Hirn, noch Knochen oder Rückgrat. Stattdessen ist ihr Körper aus zwei sehr dünnen Zellschichten aufgebaut (eine Innere und eine Äußere, die Ektoderm und Endoderm genannt werden). Zwischen ihnen dient eine Gallertmasse als Stützschicht und Sauerstoffreservoir. Des Weiteren findet sich nur eine Körperöffnung, die als Mund und After dient, um die die Tentakeln angeordnet sind.
Der Magenraum ist ein Hohlraum der inneren Zellschicht. Spezielle Zellen dieser Schicht können eroberte Beute zur Zellwand hin verdauen. Die Qualle verfügt außerdem über ein Kanalsystem, das die Versorgung mit Nährstoffen sowie den Abtransport von Unverdaulichem ermöglicht.
Quallen besitzen zwar kein Gehirn, verfügen aber dennoch über ein Nervensystem, mit dem sie Beute jagen und auf Feinde sowie Geschlechtspartner reagieren können. In einem festgelegten Ablauf wird eine Reaktion in Gang gesetzt und weitergeleitet, wenn ein Reiz (also eine bestimmte Wahrnehmungsänderung) sie auslöst.
Die obere Seite des Schirms wird ,,Exumbrella” genannt und ist gewölbt. Acht radiale Furchen gliedern sie. An den Stellen der Furche ist die Gallerte des Schirms etwas dünner. Mit zunehmendem Alter kann die Ausprägung der Furchen vermindert werden. Des Weiteren ist bezüglich der Furchen eine unterschiedlich starke Ausprägung verschiedener Arten zu betrachten.
Am Schirmrand befinden sich darüber hinaus komplexe Sinnesorgane, die Licht, Schwere und Geschmack wahrnehmen können. Diese werden Rhopalien genannt. Manche Quallenarten, wie beispielsweise die Würfelqualle besitzen sogar Augen.
Verliert eine Qualle ein Körperteil, bildet sich dieses nach. Dafür kehrt es zunächst in ein embryonales Zellstadium zurück, um erneut zu einem neuen Zelltyp heranzuwachsen.
Fortpflanzung und Lebenszyklus
Typisch für viele Nesseltiere, so auch für die Qualle, ist der Generationswechsel, bei dem sich Polyp (fest sitzendes,ungeschlechtliches Stadium) und Meduse (frei schwimmender, geschlechtlicher Körper) abwechseln. Dieser Wechsel wird ,,Metagenese” genannt.
Die Fortpflanzung verläuft je nach Art auf sehr verschiedene Weisen. So kann sie beispielsweise eingeschlechtlich, zweigeschlechtlich, aktiv oder passiv vollzogen werden.
Treffen zwei eingeschlechtliche Quallen verschiedenen Geschlechts aufeinander, platzen aus der Innenhaut des Magenraumes Eizellen bzw. Samenzellen heraus, ergießen sich in das Wasser und treffen so aufeinander.
Im Falle der Art Tripedalia cystophora werden die Spermien in speziellen Gastraltaschen der männlichen Quallen zu Bündeln zusammengefasst und mit einer Membran umgeben.
Nach einem komplexen Paarungsspiel, bei dem Männchen und Weibchen erst nebeneinander her schwimmen, das Männchen dann einen Tentakel des Weibchen fängt, die Spermien auf diesen Tentakel überträgt, mit dem das Weibchen sie anschließend in ihren Gastralraum führt, löst sich die Membran der Spermien Bündel im weiblichen Gastralraum und die dort vorliegenden Eizellen können befruchtet werden. Hier findet also tatsächlich eine festgelegte Interaktion zwischen zwei Quallen statt.
Im Gegensatz dazu, können zweigeschlechtliche Quallen sich selbst befruchten. Hierbei werden zuerst die männlichen Samenzellen und danach die weiblichen Eizellen gebildet und befruchtet.
Aus den befruchteten Eiern entwickeln sich anschließend sehr kleine Larven (=Planulalarve), die sich am Boden anheften und dort einen festsitzenden Polypen ausbilden, der einem kleinen Baum, einem Stiel mit Tentakeln, ähnelt.
Grafik:
Ein Polyp im Anfangsstadium (M5): https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Coral_polyp_open_600.jpg
Möglicher Ablauf der Metagenese mit mehreren Quallen aus einem Polyp
Würfelquallen
Im Falle der Würfelquallen fällt der Polyp im Vergleich zum adulten Stadium, der Meduse, sehr klein aus. Bei den meisten Arten findet eine vollständige Verwandlung des Polypen statt, sodass aus einem Polyp genau eine Meduse entsteht. Allerdings gibt es auch Würfelquallen, die eine andere Form der Medusenbildung aufweisen (zb. bei der Art Carybdea marsupialis). Hier bleibt ein regenerativer Rest der Polypen bestehen, der wieder zum Polypen heranwachsen kann.
Der Polyp (insofern jener ausgebildet wird) ist in der Regel mit einer Basalscheibe mit dem Untergrund verwachsen und weist kein Skelett auf. Seine Oberfläche ist mit Geißeln besetzt, die zur Sinneswahrnehmung dienen. Epidermis und Gastrodermis bilden die Körperwand. Dazwischen ist eine Stützlamelle zu finden, die den Polyp stabilisiert. Außerdem liegt ein Gastralraum in ,,Sackform” inklusive Nervenring vor.
Am oberen Teil des Polypen sind in Form eines Kranzes Tentakeln um den Mund angeordnet. Dieser ist im gestreckten Zustand mit einer Art Rüssel zu vergleichen, da er sehr dehn- und streckbar ist. Im unteren Teil, dem ,,Stiel” wird der Polyp schmaler und endet in einer Haftscheibe.
Die Polypen weisen nur eine Form von Nesselzellen auf, die Stenotelen. Verbrauchte Nesselzellen können durch neue ersetzt werden. Die Tentakeln, an denen sich die Nesselzellen befinden, können gedehnt, abgekugelt und eingezogen werden.
Auch bei großen Medusenstadien wird der Polyp in der Regel nur wenige Millimeter groß.
Wandelt sich der gesamte Polyp in eine Meduse, reift er meist 3 Monate heran, bis eine Ablösung vom Untergrund stattfindet. Diese Ablösung hinterlässt meist nur einen Schleimfleck an der ehemaligen Haftstelle und dauert bei 25°C bis 27°C fünf bis sieben Tage.
Bei ungünstigen Lebensbedingungen ist es dem Polypen möglich, sich zu enzystieren, also einzukapseln. Umgeben von einer dünnen Permidermhülle treibt er mit der Strömung, bis günstigere Umstände vorliegen. Dann kann er sich aus der Hülle lösen, entkugeln, die Tentakeln ausstrecken und im Kriechstadium einen besseren Standort zum Anhaften ,,finden”.
Weitere Quallenarten umgehen das Polypenstadium (Bsp: Hochseequalle), indem sie sich direkt im Meer vermehren. Es bildet sich also im ganzen Lebenszyklus kein festsitzender Polyp aus.
Andere Quallen hingegen stoßen bloß Körperteile ab, aus denen sich neue Quallen entwickeln können. Bei den meisten Quallenarten ist der Lebenszyklus bisher unbekannt.
Nesselzellen und deren Gift
Als,,Cnidom” bezeichnet man die Gesamtheit der verschiedenen Typen von Nesselzellen und deren Anordnung an Schirm und Tentakeln. An den Tentakeln der Qualle finden sich tausende Nesselzellen, die ringförmig angeordnet sind. Welche Typen von Nesselzellen vorliegen, ist artspezifisch, weshalb diesbezüglich eine starke Variation besteht.
Aufbau und Entladung allgemein
Hauptsächlich bestehen Nesselzellen aus einer Nesselkapsel beziehungsweise Nematocyste. Eine Kapselhülle umgibt sie. Diese ist mithilfe einer zusätzlichen Kollagenschicht versteift. In der Kapsel befindet sich ein 5 bis 100 Mikrometer langer hohler Schlauch, auch Faden oder Nema genannt, der mit verschiedenen zusätzlichen Strukturen wie Stacheln, Dornen, Stiefeletten oder Klebeelementen ausgestattet ist. Die Nesselzelle ist mit einer Flüssigkeit gefüllt, die meistens eine giftige Wirkung hat. Weitere Zellbestandteile wie z.B. der Zellkern liegen zwischen der Kapsel und der Zellmembran. Röhrchen aus Proteinen, sogenannte Mikrotubuli, bilden die mechanische Verknüpfung zwischen Nesselzelle und der Epidermis.
Am oberen Teil der Nesselzelle, der der Außenwelt zugewandt ist, befindet sich ein Rezeptor, der Cilie oder Sinnesgeißel genannt wird. Wird dieser adäquat mechanisch gereizt, wird als Reaktion der Faden mitsamt dem Gift ,,explosiv” nach außen in das Opfer geschleudert, wo er oft haften bleibt. Hierbei tritt zuerst der spitze ,,Stilettapparat” in den Gegner ein. Liegt keine Reizung vor, ist die Nesselzelle durch das Operculum, eine Art Deckel, verschlossen.
Nachdem die Nesselzelle entladen worden ist, stirbt sie innerhalb von 48 Stunden ab. An ihrer Stelle wird eine neue Nesselzelle ausgebildet.
Hierfür sind Stammzellen bzw. embryonal angelegte Zellen notwendig. Diese teilen sich und die Entstehung der Nesselzellen beginnt mit der räumlichen Vergrößerung des Golgi Apparates und des rauen endoplasmatischen Retikulums. So kann Material für die werdende Zelle gebildet werden. Es entsteht vorerst eine homogene Matrix, die durch Verschmelzung mit Vesikeln des Golgi Apparates heranwächst. Zwischen Golgi Apparat und Matrix entwickeln sich die Mikrotubuli. In der Matrix entstehen anschließend zwei Bereiche, von denen einer den späteren zentralen Bereich- und einer den späteren Aufenthaltsbereich für sonstige Zellstrukturen bildet.
Am oberen Ende entsteht eine Art Deckel, der Operculum genannt wird. Abschließend verringert sich die Größe des Golgi Apparates wieder und das endoplasmatische Retikulum zerfällt. Die Bildung dieser Zellen ist irreversibel.
Aufbau der Nesselzellen bei Quallen
Würfelquallen
Im Falle der Würfelquallen wurden bislang nur sechs verschiedene Grundtypen von Nesselzellen (=stomocniden) entdeckt. Diese sind in Haploneme und Heteroneme einteilbar.
Für die Bildung von Nesselzellen sind spezielle Bildungszellen nötig. Diese werden dann meist erst im Verlauf an ihren ,,Einsatzort” transportiert. Sie können entweder zu Batterien meherer Nesselzellen zusammengelegt oder zwischen Epidermzellen eingelagert werden. Eine Klassifizierung der Nesseltiere findet anhand der Form und Funktion von Schaft und Nema statt. Bei Reizung wird durch einen Überdruck von 140 bar das Operculum abgesprengt und Nema und Schaft stülpen sich innerhalb einer 1/250 Sekunde nach außen.
Der Schaft mancher Typen der Nesselzellen ist mit feinen Dornen oder Widerhaken besetzt, die das Eindringen in die Beute erleichtern und durch deren Abspreizen eine feste Verankerung des Nemas ermöglicht wird. Meist wird eine Mischung von Giften durch den Faden abgegeben. Je nach Typ kann das Gift eine zytotoxische, neurotoxische, hämolytische, cardiotoxische, dermatonekrotische, immunogene und/oder entzündende Wirkung hervorrufen.
Nesselgift und dessen Wirkung an der Synapse
Viele Quallengifte sind bisher unerforscht. Eines der Nesselgifte von Quallen ist ein, durch zwei bis drei intramolekulare Disulfidbrücken stabilisiertes, Polypeptid, das eine Anzahl von 27 bis 49 Aminosäuren aufweist. Seine Wirkung ähnelt dem Gift Curare (das beispielsweise in Pfeilgiftfröschen zu finden ist).
Normalerweise löst ein Aktionspotential in einer Synapse das Öffnen von spannungsabhängigen Calciumkanälen in der präsynaptischen Membran aus. Auf das Einströmen von Calcium-Ionen folgt das Verschmelzen von, mit Neurotransmitter gefüllten, Vesikeln mit der Membran der Präsynapse am synaptischen Spalt.
Das Ausschütten von Neurotransmittern (wie im Beispiel Acetylcholin) ermöglicht diesen, durch den synaptischen Spalt zu diffundieren und an transmittergesteuerte Kanäle der Postsynapse zu binden. Sind diese geöffnet, strömen Natrium-Ionen aus dem synaptischen Spalt in die Postsynapse, worauf deren Membran depolarisiert wird. Es entsteht ein EPSP. Die Weiterleitung ist gewährleistet. Acetylcholinesterase (hier) spaltet die Neurotransmitter, sodass sie in Vesikel eingeschlossen, wieder zusammengefügt und in die Präsynapse zurückgeleitet werden können. An der postsynaptischen Membran sorgen Natrium-Kalium-Pumpen für die Wiederherstellung des chemischen Gleichgewichts der Membran.
Da das Gift Curare eine ähnliche Struktur wie der Neurotransmitter Acetylcholin aufweist, kann es die Acetylcholin abhängigen Kanäle blockieren. So ist kein Einströmen von Natrium-Ionen aus dem synaptischen Spalt möglich. Da so keine Depolarisierung stattfinden kann, entsteht kein EPSP. Die Folge der Blockade der Weiterleitung ist die Muskellähmung. Die Lähmung der Atemmuskulatur kann zum Tod durch Ersticken führen.
Allerdings wird das Herz nicht direkt durch Curare beeinflusst, da das Erregungsleitungssystem im Herzen nicht aus Nerven besteht. Dennoch fallen bei Opfern von Nesselzellgift auch Auswirkungen auf das Herz direkt auf (=kardiotoxische Wirkung), was auf eine Zusammensetzung mehrerer Gifte in den Nesselzellen schließen lässt.
Bekannt im Falle der Würfelquallen sind die Cytolysine CfTX-1 und CfTX-2. Diese bilden Membranporen (die Membran wird also ,,durchlöchert”). Dies hat sowohl das Platzen von roten Blutkörperchen als auch vermehrten Kalium-Ionen-Einstrom zur Folge, was einen Herzstillstand herbeiführen kann.
Symptome und erste Hilfe
Direkt nach der Berührung einer Würfelqualle setzen extreme Schmerzen ein. Sie werden häufig mit der Berührung eines glühenden Bügeleisens verglichen. Die berührten Hautstellen schwellen an und bilden Blasen, die Narben hinterlassen. Neben Muskellähmung treten Herzrhythmusstörungen wie das lebensbedrohliche Kammerflimmern auf. Lungenödeme oder Versagen der Atemmuskulatur führen darüber hinaus in der Regel innerhalb weniger Minuten zum Tod.
Zusätzlich zur Behandlung beschriebener Symptomatik kann es helfen, Essig auf den Wunden zu verteilen (bei Würfelquallen!), da dieser neutralisierend auf die Nesselzellen wirkt. Der Mythos, auf betroffene Stellen zu urinieren, ist gefährlich, da der Kontakt mit Urin die Reaktion der Nesselzellen verstärken kann.
Rekorde
- Die Ohrenqualle ist die einzige Quallen, die in allen Weltmeeren zwischen dem 70. nördlichen und dem 40. südlichen Breitengrad vorkommt.
- Die Würfelqualle Irukandji ist mit einem Schirmdurchmesser von etwa 2 cm die Kleinste aller Quallen
- Die japanische Nomura Qualle kann einen Schirmdurchmesser von 2 Metern und ein Gewicht von 200 kg erreichen
- Während Durchschnittsquallen in der Regel nahe der Wasseroberfläche leben, kommt die Tiefseequalle in einer Tiefe von bis zu 6000 Metern vor.
- Mit einer Geschwindigkeit von 10 km/h sind die Kreuzquallen die schnellste Quallenart
- Die Nesselzellen der australischen Seewespe enthalten genug Gift, um auf einmal 250 Menschen zu töten
*Vermerk: Ist von Würfelquallen die Rede, beziehe ich mich vor allem auf die Seewespe Chironex fleckeri, die giftigste der Würfelquallen