Name: Laetitia Loska, 2022-10

Verliebte sprechen oftmals von „Schmetterlingen im Bauch“. Andere wiederum behaupten, dass ihnen „Stress auf den Magen schlägt“. Doch was hat es eigentlich mit der Entstehung solcher Bauchgefühle auf sich und warum spricht man in diesem Zusammenhang von einem Bauchgehirn?

Forschungen zeigen, dass sich in dem menschlichen Bauchraum ein komplexes Nervensystem befindet, das sogenannte enterische Nervensystem (=ENS). Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeiten des Nervenzellengeflechts des enterischen Nervensystems mit dem des Gehirns spricht man auch von unserem „zweiten Gehirn“ oder dem „Bauchgehirn“. Die Hauptaufgabe des enterischen Nervensystems ist die Steuerung der Verdauung. Jedoch scheint es nach neusten Untersuchungen auch, unsere Emotionen zu beeinflussen und trägt womöglich ein Teil zur Entstehung von neurodegenerativen (Erkrankungen des Nervensystems) Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer bei.

 

Definition des enterischen Nervensystems

Das enterische Nervensystem ist ein komplexes Geflecht aus Nervenzellen, welches im Verdauungstrakt des Menschen sitzt, wo es die gesamten motorischen (Ansteuerung und Anspannung der Muskulatur) und sekretorischen (Abgabe wichtiger Körpersubstanzen wie z.B. Verdauungsenzyme oder Hormone) Prozesse der Verdauung steuert. Es enthält etwa 100 bis 200 Millionen Nervenzellen und ist damit größer als das Nervensystem im Rückenmark. Zwischen dem enterischen Nervensystem und dem Gehirn gibt es einen permanenten Informationsfluss über den Vagusnerv.

Das enterischen Nervensystem wird auch als „Bauchgehirn“ bezeichnet. Dieses Nervenzellengeflecht gehört neben dem Sympathikus und dem Parasympathikus zum vegetativen Nervensystem. Da das vegetative Nervensystem innerkörperliche Vorgänge steuert und reguliert, unterliegt es nicht direkt dem Willen des Menschen. Deshalb bezeichnet man das vegetative Nervensystem auch als autonom.

So arbeitet also das enterische Nervensystem weitgehend unabhängig vom ZNS. Demzufolge verläuft die Verdauung unwillkürlich und unbeeinflusst von eigenen Entscheidungen. Dennoch können Sympathikus und Parasympathikus einen Einfluss auf das ENS nehmen. Das enterische Nervensystem besitzt die Neurotransmitter Serotonin und Dopamin. Diese Neurotransmitter wirken dabei anregend auf die Bewegungsfähigkeit des Darms.

 

Aufbau des enterischen Nervensystems

Das ENS wirkt im gesamten Bereich des Gastrointestinaltrakts. Das heißt, es zieht sich von der Speiseröhre bis zum Mastdarm hindurch. Die verschiedenen Organe in diesem Wirkungsbereich haben einen ähnlichen Wandaufbau. Dieser ist in folgenden Wandschichten gegliedert: 

• Tunica mucosa (=die Schleimhaut unterteilt in: 
    1. Epithel (=mehrschichtiges Plattenepithel (Flache miteinander verbundene Zellen), unter welcher sich eine Blasenmembran befindet) 
    2. Propria (=Bindegewebeschicht mit Drüsenzellen, Nerven, Blut- und Lymphgefäßen)
    3. Muscularis mucosae (=Gewebsschicht aus glatten Muskelzellen))

• Tunica submucosa (=Bindegewebsschicht über der Schleimhaut, die Nerven, Drüsen, Blut- und Lymphgefäße enthält, versorgt die Schleimhaut)

• Tunica muscularis (=eine Muskelschicht bestehend aus:
    1. Einer Ringmuskelschicht, die den Nahrungsbrei durchmischt
    2. Einer Längsmuskelschicht, die den Nahrungsbrei befördert)

• Serosa oder Adventitia (=je nach Lage, eine Bindegewebsschicht)


Innerhalb dieser Schichtungen befinden sich an unterschiedlichen Stellen zwei wesentliche Plexus (Nervengeflechte) des enterischen Nervensystems.

Zum einen findet man den Plexus submucosus (=Meissner-Plexus), der in der Submukosa liegt. Er besteht aus Anhäufungen von Ganglienzellen (Ansammlung von Nervenzellen (Nervenknoten), umgeben von Bindegewebe ) und den von ihnen ausgehenden Nervenfasern. Der Plexus submucosus befindet sich beinah im gesamten Gastrointestinaltrakt wie zum Beispiel im Magen und Dünndarm.

Zum anderen gibt es den Plexus myentericus (=Auerbach-Plexus), der in der Tunica muscularis zwischen der Ringmuskelschicht und der Längsmuskelschicht liegt. Dieser ist ein Geflecht aus multipolaren Nervenzellen (Besitzen zahlreiche Dendriten und ein Axon) und Fasern des vegetativen Nervensystems, welches in kleinen Ganglien organisiert ist. Vom Meissner-Plexus gehen viele neuronale Verbindungen zum Auerbach-Plexus.

Folgende Abbildung veranschaulicht den Wandaufbau des Verdauungstrakts:

Wandaufbau des Verdauuungstrakts

 

Nervenzellen des enterischen Nervensystems

Die meisten Nervenzellen (=Neuronen) des ENS befinden sich in den beiden Nervengeflechten des Magen-Darm-Traktes, das heißt in dem Meissner-Plexus und in dem Auerbach-Plexus. Dabei ist das ENS ist aus afferenten Neuronen, Interneuronen (Nervenzellen, die zwischen afferenten und efferenten Nervenzellen liegen und diese miteinander verschalten) und Motoneuronen (efferente Nervenzellen, die die Muskulatur innervieren) aufgebaut. Diese sind wie folgt miteinander verknüpft:

Die Interneuronen bilden zwei Ketten, welche in entgegengesetzte Richtungen verlaufen.

An diesen Interneuron-Ketten wirken sogenannte IPANs (=intrinsische primäre afferente Nervenzellen). Diese speziellen Nervenzellen können bestimmte Einflussgrößen aus dem Magen-Darm-Trakt registrieren. Eine Einflussgröße kann beispielsweise der Druck des Darminhaltes sein, der die IAPNs anregt. Sie senden daraufhin Signale an die Interneuronen. Die Interneuronen wiederum aktivieren nach Signaleingang die erregenden oder hemmenden Motoneuronen, welche in der Ring- und Längsmuskelschicht liegen. Die erregenden Motoneuronen leiten eine Kontraktion der Darmmuskulatur ein, wohingegen die hemmenden Motoneuronen zur Erschlaffung der Muskulatur beitragen. Durch diese Signalweiterleitung entsteht die Peristaltik, also ein Bewegungsmuster von Hohlorganen wie dem Magen oder dem Darm, wodurch der Inhalt des Hohlorgans weitertransportiert wird.

Ein weiterer Bestandteil des ENS sind die interstitiellen Zellen von Cajal. Diese Cajal’sche Zellen bilden ein Zellsystem, welches eine Vermittlungsfunktion zwischen den Nervenzellen und den glatten Muskelzellen des Magen-Darm-Trakts hat. Dadurch können die Cajal’sche Zellen Einfluss auf die rhythmische Kontraktion der gastrointestinalen Muskulatur nehmen. Sie befinden sich im Auerbach-Plexus des Dickdarms und in der glatten Muskulatur der Darmwand.

 

Aufgaben und Funktionen des enterischen Nervensystems

Das ENS ist hauptsächlich für die Steuerung der Verdauungsvorgänge zuständig. Das bedeutet, dass es die Darmmotilität (Bewegungsfähigkeit des Darms, wodurch der Darminhalt transportiert und durchmischt wird), die Resorption (Die Aufnahme der durch die Verdauung gespalteten Nahrung aus dem Darmlumen, z.B. die Aufnahme von Fetten oder Vitaminen ), die Sekretion (Die Abgabe von Körpersubstanzen wie Hormonen oder Verdauungsenzymen durch Drüsenzellen), den Blutfluss und immunologische Funktionen, also die Abwehrmechanismen des Körpers, beeinflusst.

Der Meissner-Plexus hat dabei vor allem sekretorische Aufgaben. Er steuert also die Sekretion der Darmdrüsen. Weitere Aufgaben des Meissner-Plexus sind die Regulation von immunologischen Vorgängen, das Innervieren (Die Versorgung von Geweben oder Organen mit Nerven) der Feinbewegung der glatten Muskulatur der Darmschleimhaut und die Kontrolle der Peristaltik (Erklärung siehe folgende Seite). Der Auerbach-Plexus hingegen übernimmt die Regulation der Peristaltik und ist ebenfalls für die Sekretion von Enzymen in das Darmlumen verantwortlich. Insgesamt verarbeitet das ENS viele unterschiedliche Reize und reagiert mit seinen entsprechenden Rezeptoren auf die Reize.

Zu den wesentlichen Signalen, die von den verschiedenen Rezeptoren des ENS aufgenommen und in elektrische Impulse umgewandelt werden können, gehören:

• Nährstoffzusammensetzung der Nahrung
• pH-Wert
• Wassergehalt
• Temperatur
• Druck-, Zug- und Scherkräfte
• Hormonelle Signale
• Mikrobielle Signale (=Signale, die von Bakterien oder anderen Mikroorganismen ausgehen, besonders wichtig für die immunologischen Funktionen)
• Inflammatorische Signale (=Signale, die auf Entzündung hinweisen)

In Abhängigkeit von den Signalen können somit auch Informationen über die Magenfülle oder über auftretende Schmerzen übermittelt werden.

 

Die Peristaltik

Peristaltik beschreibt die Muskeltätigkeit von Hohlorganen wie zum Beispiel von Speiseröhre, Magen oder Darm. Die Muskulatur dieser Organe mischt durch rhythmisches Kontrahieren (=Zusammenziehen) den Inhalt der Hohlorgane und transportiert ihn weiter. Diesen Inhalt bezeichnet man auch als Bolus. Im Magen-Darm-Trakt ist es der Nahrungsbrei, der zum Darmausgang transportiert wird. Der Bolus aktiviert die Dehnungsrezeptoren des enterischen Nervensystems. Durch deren Aktivierung kommt es durch die Signalübertragung über die Interneuronen-Kette und über die verschiedenen Motoneuronen zur Entspannung der Ringmuskulatur. Die Ringmuskulatur entspannt sich dabei einige Zentimeter vor dem Bolus, wo die Längsmuskulatur sich gleichzeitig zusammenzieht. Hinter dem Bolus wiederum kommt es zur Kontraktion der Ringmuskulatur. Somit wird verhindert, dass der Mageninhalt oral, also zum Mund hin, zurückgedrängt wird. Dieser Vorgang lässt eine Welle der Peristaltik in Richtung des Mastdarms, also aboral, entstehen. Man bezeichnet diese Welle auch als propulsive Peristaltik, da es eine kontinuierlich vorwärtstreibende Bewegung in aborale Richtung ist.


Folgende Abbildung veranschaulicht die propulsive Peristaltik:

Propulsive Peristaltik

 

Neben der propulsiven Peristaltik gibt es noch die nicht-propulsive Peristaltik und die retrograde Peristaltik, auch Antiperistaltik genannt. Bei der nicht-propulsiven Peristaltik kommt es zur Durchmischung des Darminhaltes durch ringförmige Kontraktionswellen. Die retrograde Peristaltik hingegen veranlasst eine Bewegung in orale Richtung. Dies führt beispielsweise zu Erbrechen. Auch diese Bewegungsmuster werden durch die Nervenzellen des enterischen Nervensystems gesteuert. 

 

Steuerung und Kommunikationswege des enterischen Systems

Das enterische Nervensystem funktioniert in der Regel komplett autonom. Im Gegensatz zu vielen anderen Organen ist das ENS nicht auf die Steuerung des Gehirns angewiesen. Folglich kann der Mensch seine Verdauung nicht bewusst kontrollieren. Dennoch wird die Gesamtaktivität des ENS von Parasympathikus und Sympathikus beeinflusst.

Als Modulatoren (Beeinflussung der Arbeitsweise des Nervensystems mittels chemischer Substanzen) wirken der Parasympathikus und der Sympathikus am Anfang des Gastrointestinaltrakts, also bei der Nahrungsaufnahme, und am Ende des Verdauungstrakts, das heißt bei der Defäkation (Ausscheidung von Kot). Dabei regt der Parasympathikus die Verdauung an, wohingegen der Sympathikus die Funktionen der Verdauung mindert. Die Kontraktion der Schließmuskel stellt dabei allerdings eine Ausnahme der Funktionen des Sympathikus dar, da er hier zum Zusammenziehen anregt, also keine mindernde Wirkung hat. In der Regel agiert der Parasympathikus also nach dem „Rest and Digest“ (= „Ruhen und Verdauen“) - Prinzip und der Sympathikus nach dem „Fight or Flight“ (= „Kampf oder Flucht“) - Prinzip. 

Folgendes Beispiel führt das „Fight or Flight“- Prinzip aus:

Bei einer akuten Gefahr aktiviert der Sympathikus die Kampf- oder- Flucht Reaktion, wodurch das Gehirn Impulse durch das sympathische Nervensystem an das Nebennierenmark sendet. Somit kommt es zur schlagartigen Freisetzung von Adrenalin und Noradrenalin. Der Sympathikus bewirkt über den Neurotransmitter Noradrenalin eine Hemmung der Peristaltik und der Schließmuskel wird verschlossen. Gleichzeitig reduziert der Sympathikus damit die Durchblutung des Magen-Darm-Trakts und die Sekretion von Verdauungsenzymen. Dadurch können die anderen Muskeln des Körpers, wie zum Beispiel die Beinmuskeln, besser durchblutet werden, was in der Gefahrensituation für das schnelle Wegrennen zum Vorteil ist. In solch einer Situation soll möglichst keine Zeit für die Verdauung verloren gehen, denn diese kann auch später fortlaufen, wenn man sich in Sicherheit befindet. 

Der Parasympathikus, der in der Ruhe- und Regenerationsphase überwiegt, sorgt hingegen in der Erholungsphase des Körpers über den Neurotransmitter Acetylcholin für die Aktivierung der glatten Muskulatur im Magen-Darm-Trakt. Dadurch werden die Peristaltik und die Drüsensekretion wieder angeregt.

Obwohl das Gehirn und das ENS unabhängig voneinander agieren, gibt es dennoch eine direkte Verbindung vom ENS zum Gehirn. Die Verbindung findet über den Nervus vagus (=Vagusnerv), dem zehnte Hirnnerv und dem Hauptnerv des Parasympathikus, statt. Über den Vagusnerv können Informationen in beide Richtungen vermittelt werden. Auf diesem Weg erhalten die Organe des Gastrointestinaltrakts Anweisungen vom Gehirn. Allerdings werden fast 90 % aller Informationen in die andere Richtung gesendet, also vom ENS an das Gehirn. Der Magen-Darm-Trakt teilt dem Gehirn u.a. mit, wann die Magenfülle erreicht ist, ob der Nährstoffbedarf ausreichend gedeckt ist oder ob der Körper über die aufgenommene Flüssigkeit hinreichend hydratisiert ist.

Das folgende Beispiel veranschaulicht den Kommunikationsweg des Gehirns und des ENS:

Wird etwas Verdorbenes mit der Nahrung aufgenommen, so signalisiert das ENS dies dem Gehirn. Auf dieses Signal folgt sofort eine Reaktion vom Gehirn, denn es übermittelt dem ENS Signale zum Anregen der motorischen Reflexe, sodass die retrograde Peristaltik aktiv wird und Erbrechen verursacht wird.

 

Der Einfluss von Mikroorganismen auf die Kommunikation

Die Kommunikation zwischen dem ENS und dem Gehirn kann außerdem von Mikroorganismen wie zum Beispiel dem Bakterium Escherichia coli beeinflusst werden. Die Mikroorganismen im Verdauungstrakt sind unter anderem an der Synthese von Neurotransmitter beteiligt, mit welchen sie dann über den Vagusnerv mit dem Gehirn kommunizieren können. Außerdem können sie auf die verschickten Signale über den Vagusnerv einwirken, wodurch die Kommunikation gestört werden kann.

Beispielsweise sind Darmbakterien an der Synthese des Neurotransmitter GABA beteiligt. GABA hat eine beruhigende Wirkung. Er wirkt zum Beispiel gegen Stress und sorgt für einen ruhigen Schlaf. Wird dieser Neurotransmitter nun nicht richtig durch die Darmbakterien synthetisiert, so kommt man schlechter zur Ruhe. Zudem ist bekannt, dass bestimmte Bakterien in der Darmflora auf das Sättigungsgefühl Einfluss nehmen können. So wird entweder gesteigerte Esslust ausgelöst oder man spürt schon frühzeitig ein Völlegefühl. 

 

Auswirkungen des enterischen Systems auf die Psyche

Das enterische System nimmt darüber hinaus Einfluss auf die Psyche des Menschen. Grund dafür ist der Vagusnerv, welcher mit dem limbischen System verbunden ist. Das limbische System ist ein Randgebiet zwischen Großhirn und Gehirnstamm. Es beeinflusst die Merkfähigkeit, das Gedächtnis, das Sexualverhalten und ist vor allem die Verarbeitung von Emotionen zuständig. Außerdem dient es zur vegetativen (nicht dem Willen unterliegend) Regulation der Verdauung und Nahrungsaufnahme.

Experimente mit Ratten weisen nach, dass sich die Verhaltensweise der Tiere ändert, sobald die zuständigen Nervenstränge für die Signalweiterleitung aus dem ENS zum Gehirn beziehungsweise zum limbischen System durchtrennt werden. Zum Beispiel reagieren die Ratten nach der Durchtrennung der Nervenstränge völlig furchtfrei auf Situationen, die bei ihnen üblicherweise Angst auslösen. Das Experiment zeigt demnach, dass die Signale vom ENS zum Gehirn Einfluss auf das Angstverhalten bei Ratten ausüben können. Da Ratten eine genetische Verwandtschaft zu Menschen haben, sind die Ergebnisse durchaus übertragbar.

 

Stress

Stress oder andere psychische Belastungen wie Angst oder Ärger wirken auch auf das enterische Nervensystem ein. So kann es bei Stress zu Fehlregulierungen des ENS kommen, wodurch die Darmmotilität gestört wird. Bei einer akuten Stresssituation werden Stresshormone wie Adrenalin vom zentralen Nervensystem freigesetzt, welche über den Vagusnerv die Nervenzellen des Magen-Darm-Trakts aktivieren. Diese beschleunigen dann die Eigenbewegung des Darms, sodass beispielsweise Angst-Durchfall entsteht.

Im Gegensatz dazu verlangsamt sich die Darmmotilität bei andauerndem Stress, da hier vor allem das produzierte Adrenalin die Darmbewegung durch seine hohe Konzentration vermindert. Dies wiederum führt folglich zu Verstopfungen. Auch andere Symptome wie Magenschmerzen oder Übelkeiten können im Zusammenhang mit Stress auftreten. 
 

Krankheiten des enterischen Nervensystems

Das enterische Nervensystem hat viele wichtige Funktionen für den Körper des Menschen und ist somit essentiell für die Gesundheit. Kommt es aber zu Fehlregulierungen im ENS, verursacht es schwere Krankheiten. Man vermutet, dass das ENS sogar oft der Ursprung neurodegenerativen Erkrankungen ist. Grund dafür ist der Informationsfluss vom ENS zum Gehirn über den Vagusnerv, der die Signalweiterleitung und den Hormonhaushalt des Gehirns beeinflusst. Bei neurodegenerativen Krankheiten wird den Erkrankten daher auch oftmals eine Umstellung der Ernährung geraten.


a) Morbus Hirschsprung

Morbus Hirschsprung ist eine angeborene Krankheit im enterischen Nervensystem. Es betrifft Abschnitte im Enddarm, bei dem die Ganglienzellen in der Darmwand fehlentwickelt sind. Normalerweise sorgen diese Nervenzellen für die Kontraktion der muskulären Darmwand, wodurch der Bolus in Richtung des Darmausgangs transportiert wird.

Bei Erkrankten, denen die Ganglienzellen fehlen, kommt es folglich zu Verstopfungen und zur Ausdehnung des Dickdarms, da sich der Darminhalt vor dem Abschnitt mit den fehlenden Nervenzellen aufstaut. Morbus Hirschsprung kann nur durch eine Operation behandelt werden, bei der der Darmabschnitt mit den fehlenden Ganglienzellen entfernt wird.

 

b) Morbus Parkinson

Die Parkinson-Krankheit ist eine Erkrankung des zentralen Nervensystems, die besonders im höheren Lebensalter auftritt. Bei dieser neurodegenerativen Krankheit kommt es zum Absterben von Nervenzellen im Gehirn. Durch Morbus Parkinson wird unter anderem die Bewegungsfähigkeit eingeschränkt. Muskelzittern, Muskelstarre und auch Haltungsinstabilität sind Symptome dieser Krankheit. Allerdings stellte James Parkinson schon im 19. Jahrhundert fest, dass auch Symptome wie Verstopfungen auftreten.

Heute ist bekannt, dass bei der Parkinson-Krankheit nicht ausschließlich die Nervenzellen im Gehirn absterben, sondern auch die Nervenzellen des enterischen Nervensystems zugrunde gehen. Untersuchungen zeigen, dass sich das Gewebe des ENS bei Parkinson ähnlich verändert wie das Gewebe im Gehirn. Da die Symptome wie Verstopfungen schon Jahre zuvor auftreten, vermutet man, dass Morbus Parkinson womöglich im ENS sogar beginnt und sich über die Nervenbahnen im Gehirn ausbreitet.

Diese These wird von den Forschungsergebnissen schwedischer Wissenschaftler unterstützt. Sie beweisen nämlich, dass das Risiko, an Morbus Parkinson zu erkranken, sinkt, wenn der Vagusnerv durchtrennt wird. Bei der Parkinson-Krankheit kommt es u.a. zu einer Anhäufung falsch gefalteter Alpha-Synuclein Proteinen, welche das Absterben der Gehirnzellen verursachen. Bei einer Studie an injizierten Forscher das Alpha-Synuclein in den Darm von gesunden Mäusen. Das Experiment ergab, dass sich die Alpha-Synuclein Proteine an jener Stelle ansammeln, an der der Vagusnerv mit dem Darm verbunden ist. Von dieser Stelle aus verbreiteten sich die Alpha-Synuclein Proteine in Teile des Gehirns. Somit kann man Rückschlüsse darauf ziehen, dass Morbus Parkinson seinen Ursprung im ENS hat. Allerdings wird dies zurzeit noch intensiver erforscht. 

 

c) Morbus Alzheimer

Die häufigste Form der Demenz ist die Alzheimer-Krankheit, bei welcher es ebenfalls zum Absterben von Nervenzellen im Gehirn kommt. Durch die Alzheimer-Krankheit kommt es zunehmend zu einer Verschlechterung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Symptome dieser neurodegenerativen Krankheit sind Vergesslichkeit, Orientierungslosigkeit und Sprachunfähigkeit. Erkrankte verändern im Laufe der Erkrankung ihr Verhalten und ihre Persönlichkeit. Oftmals werden sie unruhiger, aggressiver oder depressiv.

Ursache für die Leistungsschwächung des Gehirns von Erkrankten ist das zunehmende Absterben von Neuronen, welches durch die Bildung von senilen Plaques in der grauen Hirnsubstanz des Gehirns verursacht wird. Senile Plaques sind extrazelluläre Ablagerungen von fehlerhaft gefalteten Peptiden, den sogenannten Beta-Amyloid-Peptiden.

Neben den Plaques kommt es außerdem zu Ablagerungen von Neurofibrillen (fadenförmige Strukturen aus Proteinen, die im Cytoplasma einer Zelle in Bündeln angeordnet sind und den Zellkörper sowie die Fortsätze von Nervenzellen durchziehen) in den Neuronen. Die Neurofibrillen bestehen aus fehlerhaften Proteinen, welche sich an die Axone der Nervenzellen anlagern und schließlich die Zellen in ihren Funktionen einschränken. Die Ursache für die Bildung der Plaques im Gehirn ist noch ungeklärt, allerdings zeigen Untersuchungen von einem Forschungsteam der Universität Lund, dass die Entstehung von den Plaques zumindest bei Mäusen durch körpereigene Bakterien beeinflusst wird.

Bei der Erforschung wurden die Darmbakterien von Alzheimer erkrankten Mäusen und von gesunden Mäusen miteinander verglichen. Es zeigt sich, dass die Tiere, die an Alzheimer erkrankt sind, andere Bakterien im Darm besitzen, als die gesunden Tiere. Des Weiteren transplantierte man die Darmbakterien der kranken Mäuse in den Darm der gesunden Mäuse.

Man beobachtete, dass es nun auch zur Bildung der Alzheimer-Plaques im Gehirn der gesunden Tiere kam. Somit wird erkennbar, dass die Darmbakterien über das enterische Nervensystem Prozesse im Gehirn beeinflussen können. Da die Alzheimer-Krankheit vor allem im höheren Lebensalter auftritt, wird älteren Menschen aus diesem Grund eine gesunde Ernährung angeraten, um die Darmflora gesund zu halten und so eventuell Morbus Alzheimer vorzubeugen. 

 

Zusammenfassung

Das enterische Nervensystem ist ein komplexer Teil des vegetativen Nervensystems, der die gesamten motorischen und sekretorischen Vorgänge des Verdauungstrakts steuert. Dabei steht das enterische Nervensystem über den Vagusnerv im ständigen Informationsfluss zum Gehirn und hat somit einen großen Einfluss auf alle möglichen Prozesse des Gehirns. Der Ausdruck „zweites Gehirn“ ist aus diesem Grund durchaus passend. Nach aktuellem Forschungsstand spielt das enterische Nervensystem eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit, da es zum einen an der Entstehung von neurodegenerativen Erkrankungen beteiligt sein kann, zum anderen aber auch unsere Emotionen beeinflussen kann. So kann man sehr wohl auch von einem bestimmten Bauchgefühl sprechen, wodurch auch Redewendungen wie „Schmetterlinge im Bauch“ gar nicht so absurd erscheinen. 

 

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